Rhein-Ruhr-Magazin 04/2021

Die Diplom-Farbberaterin Nathalie Pagels berichtet aus ihrer Praxis.

Zu Beginn meiner Selbständigkeit als Farbberaterin vor 25 Jahren war dieser Beruf noch in den Kinderschuhen. Wer sein Wohnumfeld damals farbig gestalten wollte orientierte sich an kleinen Müsterchen aus dem Baumarkt und Wohnzeitschriften, die Tipps für dekorative Handlungsanweisungen zum Selbermachen enthielten.

Trendiger Farb-Livestyle

Seitdem hat sich viel geändert. Über die Jahrzehnte entstand eine Neugierde und Sehnsucht. Die Farbheimat anderer Regionen wie Skandinavien oder angelsächsischer Länder ist uns nähergekommen. Farbkollektionen sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Und gutes Marketing bringt den Wunsch nach trendigem Farb-Livestyle in jedes Haus. Meist wird mit dem Material Farbe auch direkt eine Farbberatung angeboten. Sogar per Telefon (!).

Farben empfinden

Dabei ist Farbberatung eine eigene Disziplin, genau wie Akustik oder Statik. Sie erfordert Zeit, Einfühlungsvermögen, gute Recherche und vor allem Fachwissen. Sie ist trendunabhängig und legt den Fokus auf Nutzer und Nutzung. Der persönliche Geschmack und die persönliche Empfindung sind das Wichtigste. Wir alle empfinden Farben sehr individuell. Meist sind es jedoch mehrere Empfindungen, die unter einen Hut gebracht werden müssen. Also geht es darum, was will der Einzelne, was will die Gemeinschaft? Welche Stimmung soll erzeugt werden? Was hat bisher gefehlt? Was hat gestört? Es ist gut, erstmal nicht in Farbe zu denken, sondern die Bedürfnisse und Anforderungen zu formulieren. Die größte Tugend des Farbberaters ist es zuzuhören. So können passgenaue, individuelle, nachhaltige Konzepte entstehen.

Das Thema Nachhaltigkeit wird glücklicherweise auch im Bereich der Farben immer relevanter. Zum einen, indem Farbkonzepte nicht mehr jedem Trend nachlaufen, sondern der Zeit standhalten müssen. Zum anderen durch das Material Farbe, das immer selbstverständlicher ökologisch und der Umwelt verpflichtet gewählt wird.

Farbe bringt Lebensfreude

Vor fünfundzwanzig Jahren gab es nur wenige Möglichkeiten sich in dieser Disziplin ausbilden zu lassen. Mein Ausbildungsweg führte mich damals nach Salzburg um die Theorie, Psychologie, Physik und Gestaltungslehre der Farbe zu studieren. Praktische Erfahrungen sammelte ich an der Deutschen Oper am Rhein im „Malsaal“, wo das Bühnenbild entsteht. Schließlich mündete dieser Weg in meinen jetzigen Beruf der mich erfüllt und den ich mit Leidenschaft ausübe. Dabei ist kein Auftrag wie der andere. Doch allen gemein ist, dass die Welt dadurch ein wenig besser und schöner wird. Wer sich näher mit dem Phänomen Farbe und seiner Auswirkung beschäftigt wird erfahren, dass sie uns Lebensfreude bringt, und die Möglichkeit der Differenzierung. Farbe vermag nicht nur unsere Umgebung positiv zu beeinflussen, sondern auch das Miteinander,- und uns selbst. Verantwortungsvolle Farbberatung hat die Aufgabe Qualität, Ästhetik und Nachhaltigkeit als gleich hohe Güter zu betrachten um bedürfnisorientierte, funktionale und sinnliche Konzepte zu erstellen. Um so einen wertschaffenden Beitrag für Mensch und Umwelt zu leisten. Und fürs eigene Heim.

Redaktion: Karin Freislederer