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Rhein-Ruhr Magazin 01/2020

Erleben Sie Ihr blaues Wunder!

In Farbe stecken eine starke energetische Kraft, Zauber und Magie. Das Farbinstitut Pantone ruft jährlich die Farbe des Jahres aus. Was alles im Farbton Blau steckt und womit er sich gut kombinieren lässt, beantworte ich der Chefredakteurin des Rhein-Ruhr Magazins in dieser Ausgabe.

Karin Freislederer: Classic Blue (Pantone 19-4052) wurde zur Farbe des Jahres 2020 auserkoren. Welche Emotionen / Assoziationen verbinden Sie mit dieser Farbe?

Nathalie Pagels: Jede Farbe wirkt auf einer persönlichen Ebene, die von unseren individuellen Erinnerungen und Erlebnissen geprägt ist und auf einer kollektiven Ebene. Persönlich erinnert mich diese Farbe an die Jeans meiner Jugend. Auf der kollektiven Ebene verbinden wir damit Himmel und Meer. Alles wird in der Ferne Blau. Blau kann den Blick weiten. Blau kühlt. Gleichzeitig ist Blau eine seriöse Farbe, die Sicherheit ausstrahlt. Eine blaue Säule wird statischer wirken als eine gelbe. Ein blauer Schriftzug strahlt mehr Sicherheit aus als ein orangener. Der Grund, aus dem viele Versicherungen die Farbe Blau wählen. Wie jede Farbe trägt auch das Blau zwei Seiten einer Medaille. Darum kommt es immer sehr stark auf den Kontext an und auf die Farbnuance.

Freislederer: In welchen Räumen könnten Sie sich die Farbe besonders gut vorstellen und warum?

Pagels: In Räumen die inszeniert werden wollen. Museen, Foyers, Bars, Ladenlokale. Oder in Räumen des Rückzugs, der introvertierten Konzentriertheit. Wieder zwei ganz unterschiedliche Empfindungen, die das Blau hervorrufen kann. Klassisch wirkt Blau in hohen Räumen, im Zusammenhang mit breiten Fußleisten, hell gestrichenen Türrahmen und Blättern. Ein leicht getrübtes Blau passt hervorragend zum „Blauen Salon“. Aber auch „Bibliothek- Charakter“ lässt sich durch tiefes Blau erzeugen. Ein ohnehin dunkler kleiner Flur kann großartig für tiefes Blau sein. Die anschließenden Räume wirken umso heller und weiter. Generell gilt: wird die Farbe im privaten Bereich eingesetzt, dann sollte sie nicht nur der gewünschten Raumwirkung, sondern auch einer persönlichen Vorliebe entsprechen.

Die Frage der Beifarben ist abhängig von den Ansprüchen und Erwartungen der Nutzer an den Raum und seiner Bestimmung.

Nathalie Pagels

Freislederer: Welche anderen Farben harmonieren besonders gut mit Classic Blue?

Pagels: „Verhüllte“ Farben aus dem Warmbereich. Sand, Altweiß, Kiesel, roter Ocker. Aber auch ein sattes Curry, Senf, Mais oder honigfarben. Elegant wirkt Blau jedoch, je weniger Farben sich zu ihm gesellen. Farben haben immer eine funktionale und eine emotionale Eigenschaft. Will ich ein blaues Möbel mit der Wand verschwinden lassen, oder ein honigfarbenes Möbel vor einer blauen Wand „präsentieren“? Möchte ich eine Türe „blau wegstreichen?“, oder durch weiße Türen hervorheben? Will ich Räume verbinden oder trennen? Will ich architektonische Besonderheiten hervorheben oder kaschieren. Brauche ich einen begrenzten Raum oder einen offenen? Eine „kuschelige“ Atmosphäre, oder eine „cleane“? Die Frage der Beifarben ist also abhängig von den Ansprüchen und Erwartungen der Nutzer an den Raum und seiner Bestimmung.

Experimentieren heißt nicht Stochern im Nebel, sondern mit Methode die richtigen Fragen zu stellen, um zum richtigen Farbkonzept zu kommen.

Nathalie Pagels

Freislederer: In Deutschland hält sich der Mut zur Farbe an den Wänden immer noch in Grenzen. Wünschen Sie sich dahingehend etwas mehr Experimentierfreude?

Pagels: Ich wünsche mir mehr Offenheit. Mut impliziert, dass eine Angst vorherrscht. Ich zitiere gerne Friedrich Ernst von Garnier, den Pionier der Farbgestalter, der gesagt hat: “Wenn es Mut braucht zu einer Farbe, dann ist es die falsche Farbe, an die sie denken.“ Wir brauchen keinen Mut, sondern mehr Verständnis um das Phänomen Farbe. Experimentieren heißt Fragen zu stellen. Also zum Beispiel die Frage: “Welche Wirkung will ich erzielen? Welche Farben sind für diese Räumlichkeiten, diese Nutzung und diese Bewohner die Richtigen?“. Experimentieren heißt nicht Stochern im Nebel, sondern mit Methode die richtigen Fragen zu stellen, um zum richtigen Farbkonzept zu kommen.

Freislederer: Wie beeinflusst Farbe unser Unterbewusstsein?

Pagels: 99% der Information, die wir von unserer Umgebung aufnehmen, nehmen wir unbewusst auf, nur 1% kognitiv. Farbe ist eine Empfindung, umgibt uns immer, und beeinflusst uns permanent. Wie genau das von Statten geht beschäftigt die Wissenschaft bis heute. Wie eingangs erwähnt, hat das Farberleben mit unseren persönlichen Erlebnissen und Erinnerungen zu tun. Damit, auf welchem Teil der Erde wir aufgewachsen sind und wie wir sozialisiert sind. Dann gibt es das kollektive Unbewusste, zum Beispiel die Fähigkeit, reife von unreifen Früchten unterscheiden zu können, Blau mit Himmel und Meer in Verbindung zu bringen und Grün mit Natur. Es gibt eine Symbolik der Farbe, die uns mit beeinflusst und nicht zuletzt beeinflusst uns der Trend. Eine seriöse Farbberatung muss jedoch trendunabhängig erstellt werden, um nachhaltig zu sein.

Freislederer: Welche Tipps empfehlen Sie, um eine Farbe zunächst ohne großen Aufwand auszuprobieren?

Pagels: Fast alle Farbhersteller bieten mittlerweile Farbe in kleinen Gebinden an, sodass Probeanstriche leicht umgesetzt werden können. Ich empfehle eine Probe auf ca. 1,5 Meter Fließtapete zu streichen. So können Sie die Farbe an unterschiedlichen Wänden und in unterschiedlichen Lichtsituationen ausprobieren. Lassen Sie sich Zeit und nehmen Sie es spielerisch.

Redaktion: Karin Freislederer